Macht Liebeskummer krank?

Das deutsche Wort Liebeskummer drückt nicht im Geringsten aus, wie ernst dieser Zustand tatsächlich ist.
macht liebeskummer krank

Viele kennen das herzzerreißende Gefühl. Kaum jemand weiß, dass bei anhaltendem Liebeskummer die Diagnose „Anpassungsstörung“ lautet. Bleibt diese unbehandelt, kann die Anpassungsstörung in eine Depression führen.

Das deutsche Wort Liebeskummer drückt nicht im Geringsten aus, wie ernst dieser Zustand tatsächlich ist. Liebeskummer! Das klingt nach erster Liebe in Jugendtagen an die man vielleicht hin und wieder leicht wehmütig zurückdenkt. Ein bisschen traurig eben, aber wird schon wieder! Der Begriff wird fast romantisiert. Die gesellschaftliche Auffassung Liebeskummer und Trennungserlebnisse möglichst schnell wieder weg zu stecken, ist weit verbreitet. Sowie auch die gängigen Faustregeln unter vielen „Ratgebern“: „Für jedes gemeinsame Jahr braucht man ein Monat und dann ist alles wieder gut.“ So einfach ist es dann aber eben nicht. Ganz im Gegenteil! Diese Ansicht verspricht keine Linderung, sondern macht zusätzlichen Druck und lässt die meisten Betroffenen als Versager zurück. Denn Hand aufs Herz. Wer nach 3 Jahren plötzlich verlassen wird, braucht mit Sicherheit länger als nur 3 Monate, um die vergangene Beziehung und den Trennungsschmerz zu verarbeiten und wer 20 Jahre verheiratet war, braucht vielleicht „nur“ 12 Monate. Für die meisten Menschen steckt jedenfalls eine ernstzunehmende und sehr schmerzhafte Lebenskrise dahinter, denn wer unter Liebeskummer leidet, ist seelisch und sogar körperlich krank. Es ist nicht nur für die Psyche schlimm, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf den Körper.

Was passiert eigentlich im Körper?

Neurologen haben festgestellt, dass unsere Stimmungen von biochemischen Prozessen abhängen. Wenn wir uns verlieben, schüttet unser Gehirn Dopamin, das sogenannte Glückshormon aus. Bei einem Trennungserlebnis sinkt der Dopaminspiegel und damit fährt auch unser Gemütszustand sozusagen in den Keller. Das Ergebnis ist eine leichte Depression. Hier kommt der Liebeskummer ins Spiel. Werden wir von einem geliebten Menschen verlassen, fühlen wir uns abgelehnt. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass Ablehnung unser Schmerzzentrum im Gehirn aktiviert.  Das heißt, dass Liebeskummer die gleichen Regionen des Gehirns aktiviert, wie körperliche Schmerzen. Das „herzzerreißende Gefühl ist also ganz real und kann im schlimmsten Fall sogar zum Broken-Heart-Syndrom, auch Stress-Kardiomyopathie genannt führen. Liebeskummer und Trennungsschmerz lösen im Körper Stress aus und dieser kann das Herz angreifen. Die Symptome ähneln der Symptomatik eines Herzinfarkts.

Auch psychosomatische Symptome wie Schlafstörung, Müdigkeit, Kopfschmerzen, sowie Durchfall und Magenkrämpfe treten sehr häufig auf. Appetitlosigkeit und die damit verbundene Gewichtsabnahme schwächen den Körper zusätzlich. 

Nur aus Hollywood kommt die Theorie, dass vor allem Frauen zu Häagen Dazs oder Ben & Jerry Ice Cream greifen und tränenüberströmt am Sofa sitzend einen ganzen Becher verdrücken. Bisher konnte keine meiner KlientInnen den Icecream Rausch bestätigen. Aber vielleicht leiden Frauen dort anders.

In vielen Fällen wird allerdings das Suchtpotential gefördert. Manche greifen vermehrt zu Alkohol oder Tabletten. Hier ist wirklich Vorsicht geboten, da es rasch zu Abhängigkeiten kommen kann.

Was passiert auf psychologischer Ebene?

Liebeskummer kann tatsächlich zu einer Anpassungsstörung werden. Was so viel bedeutet, wie ein Mensch hat Probleme, sich an eine neue Lebenssituation anzupassen, die auf eine akute Belastungssituation zurückzuführen ist. Im Prinzip kann es dabei natürlich auch um viele andere Themen als Liebeskummer gehen und das kann und darf dauern! 

Die offizielle Definition der Diagnose Anpassungsstörung geht davon aus, dass sie sogar bis zu 2 Jahre anhalten kann. 

Hier ein Auszug der Definition Anpassungsstörung:

Nach der ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen müssen folgende Symptome für die Diagnose der Anpassungsstörung vorliegen:

  1. Die Betroffenen haben eine identifizierbare psychosoziale Belastung erlebt, die allerdings nicht außergewöhnlichen oder gar katastrophalen Ausmaßes war. Die Symptome müssen innerhalb eines Monats nach dem Erlebnis auftreten.
  2. Die Betroffenen haben Symptome und Verhaltensstörungen, wie sie auch bei affektiven Störungen (zum Beispiel Depression), bei neurotischen Störungen, bei Belastungsstörungen, bei Störungen des Sozialverhaltens oder somatoformen Störungen (körperliche Beschwerden ohne erkennbare physische Ursache) vorkommen. Die Symptome variieren in Art und Schwere.
  3. Die Symptome der Anpassungsstörung dauern nicht länger als bis sechs Monate nach dem Ende des belastenden Ereignisses an. Ausnahme ist eine depressive Anpassungsstörung, die länger anhalten kann.

die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Verstimmung Angst oder Sorge um die eigene Zukunft. Ängste wie: „Ich werde nie wieder glücklich!“ Freudlosigkeit, Trauer bis hin zum Gefühl der Leere bestimmen die Tage. 

Wenn man also die Symptome des Liebeskummers betrachtet, macht es durchaus Sinn, wenn Menschen mit Liebeskummer oder Trennungsschmerz ihre Symptome mit einer Depression oder einer depressiven Verstimmung vergleichen. Aus psychologischer Sicht spricht man daher von einer Anpassungsstörung.

Dauert der Liebeskummer länger als 2 Jahre, gilt er als „chronisch“ und ist deshalb behandlungsbedürftig. So weit muss es aber nicht kommen! Sobald man das Gefühl hat, nicht mehr alleine damit zurecht zu kommen, sollte man sich Hilfe holen. 

Auch wenn nicht alle der genannten Symptome auftreten, so reichen leider schon ein paar von ihnen aus, um einen ansonsten selbstbewussten und starken Menschen ziemlich aus der Bahn zu werfen. Nur wenige Betroffene kommen dennoch auf die Idee, sich Hilfe zu holen, weil Liebeskummer allgemein nicht wirklich ernst genommen wird. Betrachtet man es aber aus psychologischer Sicht, ist es eine ernstzunehmende Belastung im Leben der Betroffenen und führt unbehandelt in eine Depression. Die Symptome der Anpassungsstörung erhöhen das Risiko, dass sich langfristig eine Depression entwickelt. Daher ist es so wichtig, nicht darauf zu warten, bis es allein vergeht. Nicht immer heilt Zeit alle Wunden.

Werden Sie aufmerksam, wenn Sie über einen Zeitraum von mehr als 2 Wochen nicht richtig essen, trinken und schlafen können oder wenn Ihnen durch den Trennungsschmerz bedingte psychosomatische Beschwerden zu schaffen machen. Das ist Anlass genug, um professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Empfehlenswert ist das Aufsuchen einer psychologischen Beratung immer dann, wenn Sie das Gefühl haben den Trennungsschmerz nicht mehr ertragen zu können oder den Kummer als Ausgangspunkt nehmen, um mehr über sich selbst und ungesunde, eingefahrene Beziehungsmuster zu erfahren und diese zu verändern. Gemeinsam können Strategien entwickelt werden, die es Ihnen leichter machen Ihren Alltag zu bewältigen und wieder positive Lebensenergie zu entwickeln. Im besten Fall gehen Sie gestärkt aus dieser schweren Lebenskrise.

Schon die ersten Tage nach einer Trennung können entscheidend über den weiteren psychischen Verlauf der Krise sein. Also warten Sie nicht zu lange. Sonst lassen Sie zu, dass Ihre negativen Gedanken Ihr weiteres Leben bestimmen!

Herzliche Grüße

Sabrina Limbeck

Teilen:

Sabrina Limbeck

Sabrina Limbeck

Dipl. psycholog. Beraterin (DPSB), Lebens- und Sozialberaterin

Kategorien

Blogartikel und News

Wir schreiben Blogartikel zu ausgewählten Themen. Manchmal laden wir GastautorInnen ein. In diesem Fall schreiben wir den Namen der Autorin/des Autors unter den Artikel.   

Hier finden Sie auch aktuelle Informationen, wie die Ankündigung und Reviews von Vorträgen und Workshops von uns. Außerdem posten wir Pressebeiträge, in denen wir vorkommen und andere interne News.

Weitere Beiträge

Beziehungen in Zeiten von Corona

Die außergewöhnliche Situation, in der wir uns gerade befinden, fordert uns alle. Jeder Mensch reagiert anders. Häufig bringen Krisensituationen Beziehungsdynamiken schneller an die Oberfläche.

Mehr »